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Der junge Hund und die Ruhe

Ruhe und Gelassenheit

Wer kennt es nicht? Kaum vom Spaziergang daheim, fegt der Welpe durchs Haus. Dabei sollte man doch meinen, der Kleine wäre nun müde und schläft sofort ein. Abends, während die Besitzer auf der Couch liegen, läuft der Welpe ruhelos durch die Wohnung. Oder kaum bewegt man sich, steht auch der Welpe wieder auf und läuft sofort mit.

«Mein Hund muss endlich Ruhe lernen!»

 

Schon von manchen Besitzern hörte ich die Vermutung, der Hund leide unter ADHS.

Dabei handelt es sich beim oben genannten um normale Verhaltensweisen junger Hunde.

Alltagsstress, Trainings und Ausflüge sind Stressoren für Hunde und fordern viel Energie. Ein Welpe braucht viele Erholungsphasen, um seine Energie- und Kraftvorräte wieder aufzufüllen und um die Eindrücke des Alltags zu verarbeiten. Aber nicht jedem Hund fällt das leicht.

Ursachen können vielfältig sein, angefangen von der Veranlagung, der Aufzucht beim Züchter bis hin zu weniger bekannten und bewussten Faktoren, wie dem Gesundheitszustand, Sicherheitsempfinden des Hundes, Stimmung der Bezugspersonen, ungedeckte Grundbedürfnisse (z.B. Hunger) und sonstige Hintergrundstressoren. 

 

Schlaf & Ruhezeiten

Im Gegensatz zu uns Menschen genügen den Hunden nicht der reine Nachtschlaf, um sich zu erholen. Sie haben ein viel höheres Schlaf- und Ruhebedürfnis als wir, welches vom Alter des Hundes, Gesundheitszustand und der Aktivität abhängt.
Bei Welpen spricht man von einem Ruhebedürfnis (Dösen, ruhiges Beobachten, Schlafen) von bis zu 20 Stunden, bei erwachsenen Hunden liegt es bei etwa 18 Stunden. Im Normalfall wechseln im ersten Lebensjahr des Hundes die Aktivitäten wie rumrennen, spielen, kauen, etc. mit Ruhephasen ab. Welpen können sogar mitten im Spiel problemlos einschlafen.

Hunde erkennen leider immer öfter die eigenen Grenzen nicht mehr. Ein Ruhebedürfnis ist ihnen zwar angeboren, aber nicht, den nötigen Schlaf auch einzufordern. Dies ist der modernen Hundezucht geschuldet, welche beim Haushund einen jederzeit einsatzbereiten und gehorsamen Begleiter erfordert, welcher auf jede Einladung einer Aktivität eingeht.

Es liegt somit in der Verantwortung des Hundehalters, für genügend Ruhepausen und Schlaf des Hundes zu sorgen. Leider kann man das dem Hund nicht «beibringen».

«Ruhe» oder «entspannt sein» ist kein Verhalten. Ein Verhalten ist vielmehr die Antwort des Hundes, auf einen Reiz, wie z.B. dem Signal «Sitz» und der Hund setzt sich hin, letzteres ist das Verhalten, eine Körperposition. Lehren wir dem Hund Ruhe, so lernt er lautlos und stationär auf einem zugewiesenen Ort zu verbleiben. Für diese Übung benötigt der Hund eine Menge Energie und Selbstbeherrschung. Den Gemütszustand und innere Faktoren des Hundes lässt man dabei komplett ausser Acht. Somit erreichen wir damit niemals, die Energiereserven aufzufüllen und verstehen, dass der Hund «Ruhe» gar nicht lernen kann.

Auf Dauer wirkt sich die fehlende Regeneration als Stress auf den Körper aus und der es kommt zu Verhaltensauffälligkeiten und aggressivem Verhalten. Oftmals erkennen wir die ersten Anzeichen, wie häufiges Gähnen, weniger Appetit oder verhaltene Bewegungen gar nicht (z.B. auf dem Spaziergang). Später zeigt sich ein überdrehter Welpe und Hund. Setzt man hier mit einer Fehlinterpretation an und meint den Hund nun noch mehr auslasten zu müssen, schliesst sich ein Teufelskreis und der Hund beginnt mit weiteren Verhaltensweisen den Schlafmangel zu kompensieren, wie Unkonzentriertheit, Reizbarkeit, vorschnelles unüberlegtes Handeln oder er entwickelt sogar Stereotypien und/oder körperliche Beschwerden wie Magen-Darmprobleme, Allergien und ein generell geschwächtes Immunsystem.

Um den Hund zur Ruhe und in einen entspannten Modus mit geringem Erregungslevel zu bringen, beginnt das Training bei einem selbst. Struktur bedeutet Kontinuität und Rhythmus. Das wiederum bringt Ruhe und Gelassenheit und hilft auch dem Hundehalter. 

Die Bezugsperson sollte sich entschleunigen, Ruhe und Entspannung ausstrahlen und für eine geeignete Lernstimmung sorgen. Situationen daheim, welche alltäglich sind, sollten mit Ruhe und Gelassenheit begegnet werden und dem Hund als Vorbild dienen. Ist der Mensch gelassen, kann es auch der Hund sein. Sollte ein weiterer Hund im Haus wohnen, so muss man dafür sorgen, dass beide gegebenenfalls voneinander getrennt werden, und jedem seine Ruhepausen zukommen lassen, wenn nötig.

 

Rituale & Strukturierte Abläufe

Ein gut strukturierter Tagesablauf gibt dem Welpen Sicherheit und ist der erste Schritt zur Entspannung.

Als Ruheort für den Welpen eignet sich eine Hundedecke, eine Hundebox oder ein abgetrennter eigener Welpenbereich im Haus. Dort darf der Hund selbst zur Ruhe kommen und sich zurückziehen. Idealerweise befindet sich in jedem Raum, in dem wir Menschen uns für längere Zeit aufhalten wir einen ruhigen Hund erwarten, auch eine Decke oder Box. Diese werden so platziert, dass der Hund einen Blick auf seine Bezugsperson hat, aber nicht unbedingt den ganzen Trubel oder Aussenreize ausserhalb sieht.

Ruhende Hunde werden dabei nicht gestört oder geweckt. Dies ist ein wichtiger Punkt, sollten Kinder im Haushalt wohnen. Wacht der Welpe kurz auf, bewegt sich, gähnt, wird das nicht kommentiert. Diese Aufmerksamkeit könnte den Hund aus dem Schlaf holen. Auch Kontaktliegen auf der Ruhedecke sollte vermieden werden, es würde die Möglichkeit des ungestörten Rückzugs verhindern.

Schläft der Welpe ausserhalb des Bereichs ein, kann man ihn auf die Decke tragen. Manche Hunde wachen davon leider auf und sind danach wieder fit. Dann heisst es, den Hund zu ignorieren.

Der Hund kann nur zur Ruhe finden, wenn er keine Aufmerksamkeit des Menschen bekommt. Viel zu oft wird der Fehler gemacht und der Hund permanent beobachtet, ihm sofort jegliches Spielzeug genommen oder ihm nachgelaufen, wo er doch nun schlafen sollte. Mit «Ignorieren» ist also der komplette Aufmerksamkeitsentzug gemeint, welcher vielen Hundehaltern schwerfällt. Daher wieder – Training an sich selbst.

Extrem aufgeregten und permanent unter Strom stehenden Welpen und Hunden kann man mit einem konditionierten Entspannungssignal helfen, das Erregungslevel zu senken und somit schneller zur Ruhe zu finden. Dabei werden die körpereigenen Prozesse der Entspannung des Hundes mit einem Ritual, einem Duft oder schlicht einem verbalen Signal verknüpft. Solch ein Signal lässt sich auch für den Alltag ausserhalb, bei Spaziergängen, wenn der Hund hochfährt, verwenden. Im Kontext daheim wird es genommen, um dem Hund zu beruhigen und so weit runterzufahren, damit er sich entspannt zurückziehen und schlafen kann.

Um das Entspannungssignal aufzubauen, muss der Hundehalter seinen Hund erstmals in eine entspannte Haltung bringen. Dazu eignet sich oftmals das ruhige Kontaktliegen und ausgiebige Streicheln des Hundes. Manche mögen es, an der Brust gekrault zu werden, andere lieben es, eine Massage am ganzen Körper zu bekommen oder schlafen beim Bürsten ein. Wieder andere Hunde schlafen sofort ein, wenn man sich vor den Schreibtisch setzt, um zu arbeiten (was an sich schon einen konditionierten Ablauf darstellt).

Immer wenn der Hund schon entspannt ist, verwenden wir unser Signal z.B. «ruhiiiiiiig» und benennen damit, was der Hund gerade macht. Das wiederholen wir über einen längeren Zeitraum immer wieder beim entspannten, fast schon dösenden Hund. Dabei gilt es darauf zu achten, den Hund dabei weder zu stören noch ihn wieder zu aktivieren.
Im nächsten Schritt geben wir das Signal schon kurz bevor sich der Hund selbstständig auf seinen Ruheort legt um zu Dösen. Immer muss man das Ziel vor Augen haben, den ruhigen und entspannten Hund.
Ist das nun gefestigt, kann man beginnen, dieses Signal in etwas stressigeren Situationen oder wenn der Hund gerade aufgeregt oder überdreht ist, zu geben, und ihm somit helfen, wieder zur inneren Ruhe zu finden. Hunde, die das kennen, werden sichtlich entspannter und man beginnt wieder, sie wie in der Erlern Phase, zu streicheln oder zu kraulen.
Danach muss Ruhe einkehren, auch für die Bezugsperson. Nur so kann man das Entspannungssignal auch als solches Daheim verwenden.

Generell ist zu sagen, dass ein gut strukturierter Tagesablauf, wohlüberlegte, dem Alter angepasste Spaziergänge, Ausflüge und Trainings, dem Hund helfen, seinen Platz und seine Rolle in der Familie zu finden und er sich auch daheim besser entspannen und zur Ruhe finden kann.
Geht es ziemlich hektisch und stressig Daheim zu, kann man von einem Welpen nicht erwarten, dass er es von alleine schafft, sein Schlaf- und Ruhebedürfnis zu stillen und es wird ihm trotz aller Massnahmen schwerer fallen, als in einer ruhigen Umgebung. Dann ist Management gefragt und es gilbt sein Leben und den Alltag entsprechend zu optimieren, aber auch dem Hund Ruheorte anzubieten, welche ihm eine Auszeit abseits der Hektik daheim ermöglichen.

Aber auch die ganzen Hintergrundstressoren, wie Kinder oder andere im Haushalt wohnenden Hunde muss man beachten und entsprechend in das Training mit einplanen. Ausserdem ruht es sich mit einem vollen Bauch und einer leeren Blase viel besser.

Schafft man den Hunden zu Hause eine Wohlfühloase und bietet ihnen ein Gleichgewicht zwischen Aktivität, Aufregung und Nichts Tun und Entspannung, wird man mit einem ruhigen ausgeglichenen und mental stabilen Hund belohnt.